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Gerhard Birkhofer:

 Zur Werkgruppe “Inlays”

Standortwechsel hatten immer auch Auswirkungen auf die verschiedenen Werkgruppen des Künstlers. So entwickelte er während des XII. internationalen Plein-Air, Galerie im Ermelerspeicher Schwedt/Oder (2004) eine Werkgruppe, die sich durch ihre Eigenständigkeit auszeichnet. 

Natürliche, verwitterte und oft auch angesengte Fundstücke aus Holz bettet er in einer diszipliniert konstruktiven Komposition in Flächen ein. Die Charakteristik von „Inlays“ entwickelt sich aus der Kombination der Materialien. Sie schaffen einen Dialog gestisch informeller Gestaltungsschritte und der Ursprünglichkeit gezielt geformter Einlagen aus natürlichen Materialien. 

Ihre Wirkung erzielen die „Inlays“ sowohl als Einzelwerke wie auch innerhalb von Gruppen, wo sie eine meditativ sakrale Atmosphäre schaffen. Die eingelegten Fragmente wecken Assoziationen und können deshalb den Dialog mit dem Betrachter wecken. Der Umraum der Werke veranlasst zur Interpretation mit durchaus spirituellen Impulsen an den Betrachter. 

Gerhard Birkhofer Institut der Bildenden Künste, PH Freiburg September 2012

Herbert M. Hurka:

Einführung in: 
Frank Burkard Rückblick Graphit, Malerei, Inlay (2001-2008) 
8.3.2009 
Haus am Stockbrunnen 
Merdinger Kunstforum 

Bei aller Verschiedenheit, der Variationsbreite der heute vorgestellten Arbeiten von Frank Burkard, lassen sich drei künstlerische Parameter erkennen, die allen Werken gemeinsam sind. Diese wären die Geometrie, die Male und Spuren der Bearbeitung sowie die Experimentierfreude an diversen Materialien. Die Geometrie dient als Speicher der Formen, die Bearbeitungsspuren verweisen auf das Gemachte, die Hand des Künstlers, während die Materialien die technischen Herausforderungen an den Künstler stellen und von der Eigendynamik der künstlerischen Produktion zeugen. Das Zusammenspiel dieser Qualitäten erzeugt gleichzeitig die Grundspannung zwischen dem Regelmäßigen der Formen und dem Unregelmäßigen der Bearbeitung und Materialien. Wenn wir an Geometrie denken, speziell an die Euklid’sche Geometrie der Geraden, Winkel und daraus konstruierbaren Figuren, so sehen wir diese intuitiv als einen Inbegriff des Abstrakten an, eines Idealisierten, eher ins Denken und Vorstellen Gehörenden als in den Alltag der Gebrauchsgegenstände. Und doch ist es in Wirklichkeit genau umgekehrt. Denn die Geometrie war immer schon etwas Praktisches – intellektuelles Instrument für die Vermessung der Welt, Basis der Architektur und Ballistik. Es dauerte relativ lang, nämlich bis die Industrieästhetik die Ästhetik des Handwerks verdrängt hatte, dass Künstler die Geometrie aus ihren praktischen Anwendungsbereichen herauslösten und die ihr innewohnende Attraktivität und Schönheit zur Entfaltung brachten. Am entschiedensten und einflussreichsten darin, die Geometrisierung der Kunst voran zu treiben, war das Bauhaus in den 1920er Jahren. Woraus nun bezieht das Formenspiel der Geometrie die Ausstrahlung, die sie für Künstler so interessant macht? Es sind sicher die aufs Essentielle reduzierten Formen, die um alles Überflüssige erleichtert sind und von einer weltlosen, ja, geradezu metaphysischen Klarheit künden, als Inbild von Sachlichkeit, Neutralität, Objektivität gehandelt werden, und nicht zuletzt eine Harmonie beschwören, die keine gesellschaftliche Praxis einlösen kann. Eine Sphäre mithin, die in letzter Konsequenz befreit ist vom dem unberechenbaren Faktor Mensch mit seinen Fehlern, seinen Gefährdungen, seinen Schiffbrüchen. Das mag beruhigend klingen; nur: das Beruhigende ist Gift für die Kunst. Aus diesem Grund muss, damit Geometrie Kunst sich in Kunst verwandelt, etwas zugesetzt werden, etwas, das den ästhetischen Überschuss, der durch die Abtrennung des Gebrauchswerts plötzlich frei wird, herausholt, zeigt und in Szene setzt. Frank Burkards Lehrer Peter Staechelin und Gerhard Birkhofer haben den nötigen künstlerischen Mehrwert mit je verschiedenen Mitteln realisiert: Staechelin durch Farben, Birkhofer durch die Erfindung und Konstruktion abstrakter Räume. Frank Burkard, der aus demselben konstruktivistischen Register wie seine Lehrer zitiert, hat seinen eigenen Weg gefunden. Wenngleich auch er von den Bedingungen der Malerei ausgeht, der Malfläche, der Materialität der Farbe sowie dem vorgegebenen Format des Bildträgers Leinwand. Es liegt dementsprechend nahe, zur Beschreibung der verschiedenen Werkgruppen, die wir hier sehen, anstatt chronologisch vorzugehen gleichfalls bei der Malerei anzufangen. Die zum Blau tendierende Gemäldegruppe ab 2002 bestreitet den Hauptanteil der Ausstellung. Gegenüber den neueren Arbeiten von 2006, die durch das farbreichere Exemplar an der Rückwand vertreten sind, haben wir es mit einem Formenrepertoire zu tun, das auf eine weitgehend regelmäßige Geometrie zurückgreift, auf Gerade, Parallele sowie deren figürliche Realisierungen Rechteck und Quadrat. Der Vorteil geometrischer Formen zeigt sich bei der Proportionierung, der Schaffung von Klarheit und Übersichtlichkeit auf der Bildfläche. Es entstehen geordnete Felder, die der Künstler durch grafische Eingriffe zusätzlich betont. Dem Konstruktiven allerdings, das die geometrische Formgebung suggeriert, wirken die subjektiven Zeichen, die die Bearbeitung erzeugt, entgegen. Spontan wirkende Kratzspuren, Rückstände von Spachtelschüben sind die starken Hinweise, mit denen das kreative Subjekt sich Geltung verschafft, die aber auch dem Zufall die Tür öffnen und gleichzeitig die Eigenschaften der Farbe ins Licht rücken: ihre Konsistenz, Elastizität und Oberflächenhaftigkeit. Mit den optischen Intensitäten profiliert sich auch die Materialität der Farbe. Die künstlerische Pointe, die Burkards Verfahrensweisen abwerfen, besteht darin, dass die Materialität der Farbe erst durch die Beimischung eines Fremdstoffs so augenfällig in den Vordergrund gerät, dass die Reinheit der Substanz gestört wird durch die Behandlung der Bildoberfläche mit Asche. Bevor ein Gemälde zum Abschluss kommt, streut Burkard –als Oberflächenfinish sozusagen – Asche auf die Ölfarbe und reibt sie in die Risse und Kratzer hinein. Auf diese Weise kommt nicht nur die Wirkung eines naturbelassenen Pigments zum Tragen, sondern auch die Bearbeitungsspuren entwickeln eine überraschende Dynamik, denn das Verfahren verursacht Effekte von Schabungen und Schürfbahnen, die etwa an die Grafik von Baggerschaufeln in der Erde erinnern. Nach „Geometrie“ ist also „Materialität“ das nächste Stichwort, der nächste Parameter, der für Burkards Arbeiten konstitutiv ist, entschiedener als beim Farbumgang bei den Materialbildern aus Graphit sowie den Holzarbeiten ab 2003 mit dem Gruppentitel Inlays. Selbst bei den Gemälden lassen sich in den entschlossen gesetzten Konturen um die geometrischen Felder Schnitte erkennen, die die Formen nicht nur gegen ihre Umgebung abgrenzen, sondern sie geradezu heraustrennen und 3D als Option beinhalten. Sofern man ihnen die Freiheit lässt, sofern der Künstler ihnen nicht seinen Willen aufzwingt, entwickeln Werke ihre eigene Dynamik, expandieren – buchstäblich unter der Hand – in unvorhersehbare Richtungen und führen zu unkalkulierbaren Resultaten. Nur so ist es möglich, dass Burkards Arbeiten diese Vielzahl von Optionen zwischen 2D und 3D, zwischen Fläche und Raum – Tafelbild, Relief und Objektbild entwickeln. Etwa die Graphit-Reliefs ab 2002, die in zwei Varianten vorkommen: die eher malerisch ausgerichteten Graphit-Color-Arbeiten mit Farbhintergrund und nicht regelmäßigen Reliefs, sowie die monochromen, im charakteristischen Glanzschwarz des Graphits gehaltenen Bildobjekte – wie das Beispiel, das auf der Einladungskarte abgedruckt ist. Allein die Tatsache, dass die Formen sich aus der Ebene erheben, ruft Assoziationen hervor, die von der geometrischen Abstraktion zurück wandern zum Konkreten, Vertrauten, Erinnerten. Die Kombination glatt-konstruktiv mit naturhaft-unregelmäßig wirkenden Oberflächen zieht den Blick in eine Art Vogelperspektive, von der aus man Gebäudetrakte erkennen könnte, vielleicht auch den Grundriss einer Ausgrabungsstelle, oder Gesteinsformationen und Kanten von Kristallen. Die zweite Gruppe von Objektbildern, die Inlays, verdanken sich einer Umkehroperation, denn anstatt geometrische Elemente aus der Fläche herauszuheben, werden Fertigteile eingelassen, in die Fläche eingesenkt. Sobald die Objekte aufhören, dem Blick vorzutäuschen, dass sie Bilder sind, man also verstanden hat, wie die Methode funktioniert, übernimmt das räumliche Sehen und ergänzt die fehlende Tiefenwirkung. Das ist der spannendste Augenblick, weil sich Tastreflexe ins Sehen einmischen, die ihrerseits mit Spuren der Produktion – des handwerklichen Machens – korrespondieren. Die kalkige Beschaffenheit der Oberflächen, das stumpfe Schwarz des Naturpigments Asche, die Kratzer im Material erscheinen als Qualitäten, die auf ein künstlerisches Interesse an Baustellen schließen lassen. Wie dem auch sei: Von hier aus jedenfalls ist zu verstehen, wenn Burkards Lehrer Gerhard Birkhofer fordert, dass der Betrachter den Weg der Entstehung verfolgen müsse, um sich in diese Werke einfinden zu können. Die naturhaft anmutenden Oberflächen, insbesondere die der monochromen Graphit-Reliefs, eröffnen eine weitere Lesart. Die Geometrie bewegt sich zurück zum Erdigen, wird buchstäblich geerdet, aus der Wüste der Abstraktion zu ihren Ursprüngen zurückgeführt. „Geos“ bedeutet „Erde“, „Metrie“, von „metrón“ – „das Maß“ – zusammengesetzt: „Erdvermessung“. An dieser kulturgeschichtlich signifikanten Stelle ist jedoch eine fundamentale Differenz zu berücksichtigen: Gemeint ist der Unterschied zwischen Kunst und Zweckbestimmung, in diesem besonderen Fall der Unterschied zwischen dem ästhetischen und nützlichen Gebrauch der Geometrie. Und hier erweisen sich Frank Burkards Arbeiten als Beispiel, wie eine Gebrauchstechnik, ein Alltagsphänomen, sobald es aus seinem Nutzenzusammenhang ins Medium der Kunst transferiert wird, die ihm innewohnende Attraktivität, Schönheit und Dignität entfaltet. ©hmh/3/09